Kann jeder singen lernen?
Inhaltsverzeichnis
- Kann jeder singen lernen?
- Früh übt sich: Bedeutung von Gehörtraining und Imitation
- Singen lernen im Gesangsunterricht
- Warum Regelmäßigkeit beim Singen lernen so wichtig ist
- Fazit: Singen lernen kann jeder
„Mit dem Singen ist es wie mit der Malerei: Jeder kann malen, aber nicht jeder wird ein Picasso.“
Stellen wir im Vorfeld eines fest: Jeder, der sprechen kann, besitzt auch die Fähigkeit zu singen. Denn an der Produktion der Singstimme sind dieselben Organe beteiligt, wie an der Erzeugung der Sprechstimme: Zwerchfell, Lungen, im Kehlkopf befindliche Stimmlippen sowie der Vokaltrakt oberhalb des Kehlkopfes. Dennoch gibt es zwischen den einzelnen Menschen große Unterschiede im Klang bzw. dem Gesamteindruck des Gesangs. An welchen Faktoren das liegen kann, sehen wir uns in diesem Artikel genauer an.
Früh übt sich: Bedeutung von Gehörtraining und Imitation
Bereits im Säuglingsalter bringen wir alle physiologischen Voraussetzungen mit, die zum Singen benötigt werden. Ein Paradebeispiel hierfür ist der optimale Einsatz des Zwerchfells. Jeder hat schon mal ein kreischendes Baby erlebt. Man denke nur an die Lautstärke, die beeindruckende Tonhöhe und die Dauer des Geschreis – ohrenbetäubend, nicht wahr? Und so eine mächtige Stimme kommt aus so einem kleinen Körper!
Auf diese Weise trainieren wir bereits von klein auf unsere Singstimme. Später spielen dann noch weitere Faktoren bei unserer Stimmbildung eine Rolle:
- das Ausmaß, in dem wir als Kind Musik ausgesetzt sind,
- die Musikalität der Personen, mit denen wir im Alltag engen Kontakt haben.
Diese beiden Faktoren bestimmen, wie oft wir die Gelegenheit haben, unser Gehör zu trainieren. Wird zum Beispiel im Haus viel Musik gehört? Wird viel musiziert und auf Instrumenten gespielt? Wird viel mit dem Kind gesungen?
Die Entwicklung der Singstimme beginnt bereits in der Kindheit.
Wie wichtig in dieser prägenden Zeit das Gehörtraining ist, zeigen unter anderem die von der amerikanischen Psychologin Jenny Saffran durchgeführten Studien. Ihre Untersuchungen weisen darauf hin, dass alle Menschen mit absolutem Gehör auf die Welt kommen, es aber – wenn nicht gefördert – im Verlauf der ersten Lebensjahre wieder verlieren (wissenschaft.de 2001).
Zum anderen imitieren wir als Kinder den Gesang der Menschen, mit denen wir am häufigsten in Kontakt kommen. Können beispielsweise unsere Eltern richtig intonieren (d.h. die Tonhöhen richtig treffen), wird es uns leicht fallen, Melodien richtig nachzusingen. Haben wir es hingegen mit Menschen zu tun, die uns falsch intonierte Kinderlieder vorsingen, werden wir diese Tonhöhen genauso falsch kopieren.
Singen lernen im Gesangsunterricht
Doch auch wenn man als Kind nicht in einem musikalischen Haushalt aufwuchs, hat man immer noch die Möglichkeit, die eigene Singstimme weiterzuentwickeln. Und zwar, indem man in einem qualifizierten Umfeld vor allem die Grundlagen der Gesangstechnik erlernt. Letztere stellt sicher, dass die Stimmproduktion auf gesunde Weise erfolgt. Somit lassen sich Ermüdungs- und Überlastungserscheinungen der Stimme wie etwa Heiserkeit oder Schwinden der Stimme nach längerem Singen auf ein Mindestmaß reduzieren oder gar ganz verhindern. Auch physiologische Veränderungen am Stimmorgan (z.B. Stimmlippenknötchen) können damit verhindert werden.
Ebenso lernt der Gesangsschüler, wie er beispielsweise Stimmbrüche eliminieren oder den Stimmumfang ausbauen kann, wie Zwerchfell-Support funktioniert und woran man einen richtigen Stimmlippenverschluss erkennt.
TIPP: JEDER GESANGSSTIL ERFORDERT EINE EIGENE GESANGSTECHNIK
Achte darauf, dass der Gesangslehrer sämtliche Gesangsübungen an deinen Lieblingsstil anpasst. Singst du bevorzugt rockige Lieder, kann dir eine klassische oder Jazz-Gesangsausbildung nur bedingt weiterhelfen.
Einerseits teilen sich die meisten Gesangsstile gewisse Grundlagen, wie etwa Körperhaltung, Zwerchfell-Support, entspannte Zunge. Andererseits unterscheiden sie sich in manchen Aspekten enorm, die in weiterer Folge den resultierenden Klang beeinflussen. Dazu gehören u.a.:
- die Position des Kehlkopfes
- Ausmaß der Erweiterung des Vokaltrakts
- Mundform
- Lippenspannung
- Stimmritzenverschluss
- Kompression an der Stimmritze
Du wirst deren Stimmästhetik sowie Art der Stimmproduktion nicht auf den typischen Rockgesang übersetzen können.
Jeder Gesangsstil hat eine eigene Gesangstechnik. Wähle also deinen Gesangslehrer bewusst aus!
Der geeignete Gesangscoach zeigt dir außerdem, wie du feine Nuancen aus deiner Stimme herausholen kannst, um deinen Gesang zu bereichern, beispielsweise durch hauchige Stimmeffekte, Growl oder etwa Distortion.
Warum Regelmäßigkeit beim Singen lernen so wichtig ist
Ein Vorteil, den Gesangsunterricht mit sich bringt, ist die Regelmäßigkeit des Trainings. Diese ist der Schlüssel zum langfristigen Erfolg. Denn Singen ist vergleichbar mit Sport-Workouts. In beiden Fällen werden Muskeln und die Ausdauer trainiert. Bei wiederholter Übung merken sich die Muskeln die Vorgänge und führen jene nach einiger Eingewöhnungszeit automatisiert durch.
So musst du dich prinzipiell nur in der Lernphase auf die einzelnen Komponenten der Gesangstechnik bewusst fokussieren. Hast du diese einmal verinnerlicht, geschehen diese Abläufe automatisch. Eventuell sind hier und da kleine Korrekturen notwendig. Aber ansonsten keine Sorge: Auch wenn man am Anfang von einer Menge Tipps “übermannt” wird, später greift die Muskelerinnerung und du kannst dich voll und ganz aufs Singen konzentrieren.
TIPP: GESANGSTECHNIK… UND WO BLEIBT DER SPASS?
Am Anfang kann die ständige Fokussierung auf Gesangstechnik und auf das “Mache ich es richtig oder falsch?” einem schnell die Freude am Singen verderben. Das ist aber nicht Sinn und Zweck von gesangstechnischen Stimmübungen. Nimm dir täglich ca. 15 Minuten Zeit, in der du dich ausschließlich auf die Gesangstechnik konzentrierst. Hier geht es prinzipiell darum, dass deine Stimmmuskulatur an die richtige Konfiguration erinnert wird.
Sobald die 15 Minuten um sind, nütze die restliche Übungszeit für die Umsetzung des Gelernten in Songs, die du gerne singst. Versuch dabei, so gut es geht, die Technik zu vergessen. Letzten Endes soll dein Körper die Stimmproduktion automatisiert durchführen.
Fazit: Singen lernen kann jeder
Wir haben gesehen, dass jeder, der die Fähigkeit zu sprechen besitzt, auch singen lernen kann. Allerdings gibt es einige Faktoren, die die Entwicklung der Singstimme maßgeblich mitbeeinflussen. Zu diesen gehören Gehörtraining und Imitation im Kindesalter sowie ein regelmäßiges Stimm-Workout. Letzteres ist mit einem Sport-Workout vergleichbar: Mit regelmäßiger Durchführung steigt die Fitness, Ausdauer und das Potential für noch größere Erfolge.
Bedenke allerdings, dass diverse Gesangsstile auch unterschiedliche Gesangstechniken erfordern. Wenn du dich also für regelmäßigen Gesangsunterricht und professionelle Begleitung durch einen Gesangscoach entscheidest, dann wähle einen Gesangslehrer aus, der dir auch die entsprechende Gesangstechnik beibringen kann.
Singst du gerne Pop, Musical, Rock oder Metal? Oder gefallen dir gewisse stimmliche Effekte wie etwa Growl, Distortion, ein heller oder dunkler Stimmklang, Twang etc.? Dann teste doch mal bei einer Probe-Einheit wie schnell du in deinem Lieblingsstil singen lernen kannst!
Quellen:
“Kleinkinder haben laut Studie das absolute Gehör”. In: wissenschaft.de (Online-Ausgabe 02/2001). https://www.wissenschaft.de/erde-umwelt/kleinkinder-haben-laut-studie-das-absolute-gehoer/ (Stand: 15.10.2022)